Steckbrief


Das Forscherteam um Frau Prof. Dr. Madelaine Böhme von der Universität Tübingen machte in der Tongrube der Hammerschmiede, einem Ortsteil der Gemeinde Pforzen (Ostallgäu, Bayern) einen besonderen Fund, der im Jahr 2019 unter dem Namen Danuvius guggenmosi veröffentlicht wurde. Dabei handelt es sich um eine ausgestorbene Art von Menschenaffen, die vor 11,62 Millionen Jahren (im späten Miozän) hier in Süddeutschland gelebt hat. Das Alter der Fundstelle und damit das Alter aller geborgenen Tierfunde wurde mittels geochronologischer Verfahren bestimmt.

Die Bezeichnung Danuvius guggenmosi ist abgeleitet vom keltisch-römischen Flussgott Danuvius und verweist auf den Fundort im Einzugsgebiet der Donau. Der zweite Teil des Namens, der Artname, ehrt den Entdecker des Fundorts in der Hammerschmiede Siegulf Guggenmos (1941-2018). Am 17. Mai 2016 fand Frau Prof. Dr. Madelaine Böhme persönlich einen entscheidenden Knochen: ein Teilstück des linken Unterkiefers vom männlichen Danuvius guggenmosi. An diesem Tag war der 70. Geburtstag von Udo Lindenberg und aus dem Radio tönten dessen Lieder. So lässt sich der Spitzname "Udo" nachvollziehen, den seither das Männchen trägt.

Der Fund umfasst zum Zeitpunkt seiner ersten Veröffentlichung 37 Knochen und Zähne in einem sehr beeindruckenden Erhaltungszustand von 4 Individuen: ein männliches Individuum, zwei weibliche Individuen und ein Jungtier. Dabei ist das männliche Individuum mit 21 Knochen und Zähnen belegt. Nach Hochrechnungen der Wissenschaftler war das Männchen etwa 1 m groß und 31 kg schwer. Die beiden Weibchen waren vermutlich etwas kleiner und wogen um die 18 kg.

Aus den gefundenen Fossilien, vor allem des Männchens, die aus unterschiedlichen Körperregionen stammen, können Funktionen der Gelenke erschlossen werden und Rückschlüsse auf sein mögliches Aussehen und seine Fortbewegung gemacht werden. Seine Wirbelsäule war S-förmig gekrümmt. Der Brustkorb war flach und breit. Seine Knie waren gewohnheitsmäßig gestreckt und er hatte eine physiologische X-Beinstellung. Der Großzeh war eine Greifzehe. Dies zeigt der gefundene Knochen des linken Großzehs (erstes Glied), der kräftig, relativ verlängert und in sich um seine Längsachse nach außen gedreht ist. So konnte Danuvius guggenmosi mit diesem Fuß Lianen und Äste greifen. Er war wohl ein langsamer und bedächtiger Baumkletterer, Bäume waren sein Lebensraum. Er stand und lief aufrecht auf zwei Beinen (Bipedie) und war in der Lage, in den Bäumen mit gestreckten Armen sich von einem Ast zum nächsten zu Hangeln (Schwinghangeln).

Was macht Danuvius guggenmosi so besonders? Es sind dies drei Punkte:
1. sein Alter, datiert auf 11,62 Mio. Jahre
2. sein aufrechter Gang
3. sein Fundort in Süddeutschland, in Mitteleuropa.

In diesem Zusammenhang eröffnen sich neue Fragen:
Fand die menschliche Evolution ausschließlich in Afrika statt oder spielt Mitteleuropa hier eine besondere Rolle? Funde in Afrika sind nur halb so alt wie die Funde von Danuvius guggenmosi. Und: Entwickelte sich der aufrechte Gang gar in Bäumen? Unter diesen Aspekten könnte Danuvius guggenmosi als Bindeglied (missing link) zwischen Menschenaffe und Mensch eingeordnet werden.


Am 18.09.2022 hielt Frau Prof. Böhme einen Vortrag in Türkheim im Rahmen der dortigen Wissenschaftstage des Förderkreises Türkheim. Danach gibt es inzwischen 2 juvenile Individuen und fast 50 Fossilien zu Danuvius guggenmosi. Das Gewicht des männlichen Individuums wäre nach oben zu korrigieren. Eine Veröffentlichung dazu ist mir noch nicht bekannt.





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